Trennungskultur in Unternehmen: Wenn Trennung zum Gewinn wird
Sich von einem Mitarbeitenden zu trennen, ist für alle Parteien immer eine anspruchsvolle Aufgabe: für den Betroffenen zuerst, aber auch für die Unternehmung und nicht zuletzt für die verbleibenden Mitarbeitenden. Einen persönlichen Einblick warum eine gute Trennungskultur im Unternehmen so wichtig ist, gibt uns unser Trennungsexperte Reto Smonig.
Wie wird man eigentlich Trennungsexperte?
In meinem Lebenslauf kommen verschiedene berufliche Neuorientierungen vor, und ich kenne all die damit verbundenen Gefühle aus eigener Erfahrung. Als ehemaliger Personaler in einer internationalen Maschinenbaufirma habe ich viele Trennungsgeschichten auch persönlich miterlebt. Diese Erfahrungen fliessen in meine Arbeit ein.
Was beobachten Sie: Wie gelingen Trennungen möglichst konstruktiv?
So ehrlich, offen und transparent wie möglich. Der Trennungsgrund muss klar und verständlich kommuniziert werden. Unterstützende Angebote können dabei helfen. Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sind dazu verpflichtet, einen Sozialplan zu haben, der den Kündigungsprozess regelt. Eine vielgeschätzte und gute Möglichkeit ist auch, dem Betroffenen ein Angebot zur beruflichen Neuorientierung zu unterbreiten. Denn es gilt: Wie gut und sanft man es auch macht, jede Kündigung, ob nachvollziehbar oder nicht, hinterlässt Spuren beim Mitarbeitenden. Fragen wie «Warum ich?», «Ich bin nicht gut genug!» kommen auf. Wenn man nun einen Gekündigten gerade in dieser Phase der Selbstzweifel nicht alleine lässt, tun sich neue Möglichkeiten auf.
Was könnte das konkret bedeuten?
Die Unternehmung kann in diesem Moment die neutrale Funktion der Begleitung nicht mehr gut wahrnehmen. Hier könnten neutrale Personen ins Spiel kommen, die die Emotionen in der Trennungsphase auffangen.
Welche Erfahrungen machen Sie auf Seite Arbeitgeber? Was lösen Trennungen bei Unternehmen aus?
Ich beobachte, dass jede Kündigung – ob von einer oder mehreren Personen – wie eine Operation am offenen Herzen ist. Die Mitarbeitenden sind die wichtigste Ressource einer Firma. Darum ist jede Trennung schmerzhaft – auch für Arbeitgeber. Keine Unternehmung kann heute mehr eine Arbeitsplatzsicherheit garantieren, aber sie kann als Organisation garantieren, dass Trennungen sozial verträglich, transparent und wertschätzend erfolgen. Ein gut abgestimmter Trennungsprozess ist Teil einer guten Unternehmenskultur und minimiert Reputationsrisiken. Es gehört zum Geschäftsalltag, Leute zu rekrutieren, sie zu entwickeln und sich irgendwann wieder zu trennen, ob freiwillig oder unfreiwillig.
Gibt es noch andere Aspekte, die Ihrer Meinung nach bei Trennungen oft vergessen gehen?
Ja, ebenso wichtig sind die «Hinterbliebenen» im Team. Schlecht inszenierte Trennungen haben immer starke Konsequenzen für die Belegschaft. Ein Gefühl der Unsicherheit kann sich breitmachen. «Warum der?», «Bin ich der Nächste?», «Geht’s der Firma nicht gut?». Hier ist eine proaktive Begleitung durch die Führungskräfte immens wichtig, denn sie tragen die Mitverantwortung. Auch jetzt, in dieser Pandemie, müssen alle Möglichkeiten zum Dialog genützt werden, so gut, wie es eben geht. Ich bin überzeugt, dass durch die richtige und wertschätzende Begleitung dieser Prozesse für alle Beteiligten neue Chancen aufgehen können. Neue Horizonte können eröffnet, neue Perspektiven gewonnen werden. Denn das Trennungsmanagement ist nicht zuletzt ein Gradmesser der Unternehmenskultur. Das Trennen kann also zum Gewinn werden.
Dieser Artikel von unserem newplace Experten Reto Smonig ist erschienen im Mitgliedermagazin „Zentralinfo“ im Juni 2021 der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ